Allen was allen gehört

Mit Commons & Cologne geht das StadtLabor in eine neue Runde
Interview: Melanie Weidemüller

Das Interview erschien in der Stadtrevue 02.2016 (28.1.-24.2.)

Köln zwischen Hauptbahnhof, Eigelstein und Ebertplatz trifft altes Veedel auf neoliberalen Ausverkauf: Rund um St. Kunibert finden sich günstige Altbauwohnungen, Büro- und Loft-Neubauten, charmante und zwielichtige Nachtclubs, billige und exklusive Absteigen für Touristen. Kunst im öffentlichen Raum? Wenig. Aber die beiden Künstlerinnen Doris Frohnapfel und Ina Wudke bringen sowieso ihren eigenen Kunstbegriff mit. Ihre Veranstaltungs- und Performancereihe „Commons & Cologne“ führt quer durch das neue „Planquadrat“ des StadtLabors – und mitten in urbane Realitäten.

Was steckt hinter dem Titel „Commons & Cologne“?

Ina Wudtke: Als „Commons“ oder Gemeingüter bezeichnet man natürliche, soziale und kulturelle Ressourcen und Prozesse. Momentan findet eine starke einseitige Verwertung und Vernichtung der Commons durch Firmen und Konzerne statt. Wir möchten, dass die Commons allen zugänglich bleiben beziehungsweise werden.

Während bei euren Vorgängern ästhetische Fragen im Mittelpunkt standen, wählt ihr einen etwas anderen Ansatz. Was macht ihn aus?

Wudtke: Die Produktion von Kunst betrachten wir als eine am Gemeinwesen orientierte Tätigkeit. In der künstlerischen Arbeit werden nämlich gesellschaftliche Prozesse immer wieder neu und anders beschrieben, erforscht, kritisch reflektiert, auch experimentell weitergedacht. Die zeitgenössische Kunst produziert und kommuniziert Wissen. Sie schafft Räume, in denen gesellschaftliches Handeln als Wert erfahrbar wird. Anders gesagt: Durch das, was in der Kunst Gestalt annimmt, gelangt die Gesellschaft zu einem Begriff und Bewusstsein von sich selbst.

Was ist „kölsch“, oder wie Böll sagte „kölnisch“ am Kunibertsviertel? 

Doris Frohnapfel: Vor allem die Tatsachen, die man auch in anderen Innenstadt-Vierteln finden kann: die römische, mittelalterliche Geschichte, die Zerstörungen durch den zweiten Weltkrieg, der Wiederaufbau der 50er Jahre, und nun die neoliberalen Umstrukturierungen. Das alles macht es zu einem typischen „Veedel“. Klüngel, Korruption, Privatisierungen, Abriss des historischen Bestandes, Luxussanierungen von Sozialwohnungen, die Vermarktung ganz vieler Grundstücke und Gebäude von sozialen Einrichtungen und Mietshäusern verdrängen die Bewohner aus den Innenstädten, auch aus dem Kunibertsviertel. Dem sollte von Seiten der Stadt mehr Orientierung an den Gemeingütern entgegen gesetzt werden. Man hat ja mittlerweile auch gelernt, dass Firmen und Konzerne bzw. deren Banken von den Steuerzahlern gerettet werden.

Welchen Blick habt ihr insgesamt auf die Stadt und die Kunst im öffentlichen Raum?

Frohnapfel: Der öffentliche Raum wird vom Horror des Individualverkehrs der Autos bestimmt, nach der Atombombe für mich der grauenvollste Albtraum. Leider steht die Arbeit „Ruhender Verkehr“ von Wolf Vostell nicht mehr im Kunibertsviertel auf der Domstraße – da hatte Vostell 1969 bei laufendem Autoradio und gefüllt mit Zeitungen und Zeitschriften seinen „Opel Kapitän“ einbetoniert. Er sollte einen Parkplatz blockieren. Wie wir alle wissen, steht die Plastik jetzt auf dem Mittelstreifen des Hohenzollernrings, und ist dort gänzlich der ursprünglichen Idee beraubt worden. In der Stadt gibt es wenig Sensibilität für die Ideen und die Arbeit der KünstlerInnen.

In der ersten Phase des StadtLabors, „Der Urbane Kongress“, gab es rege Debatten, auch in Politik und Verwaltung – aber von den konkreten Handlungsvorschlägen wurde bisher kein einziger umgesetzt. Wo hakt es da, sind solche Debatten trotzdem sinnvoll?

Frohnapfel: Von diesen Debatten gibt es viel zu wenige. Daher ist ihre Umsetzung auch nicht Teil des demokratischen Prozesses, der ja von Lobbyvereinen geleitet wird. Es wäre ein Fortschritt, wenn sich die „KunstKommission“ in Köln schnell etablieren würde, die diese Debatten anregen und moderieren könnte.

Wudtke: In den 90er Jahren entwickelten KünstlerInnen die Projektarbeit, um die verkrusteten Strukturen in Institutionen aufzubrechen. Diese Projekte wurden von KünstlerInnen initiiert. Nach dem Projekt verschwinden die Ergebnisse des Projektes oft in der Schublade, weil es politisch keine Strukturen, kein weiteres Geld und kein wirkliches Interesse gibt, um die Erkenntnisse der Künstler umzusetzen. Die Projekte an sich sind zumeist sehr sinnvoll. Wie man langfristig denken kann, über Legislaturperioden hinaus, das ist eine spannende Frage auch für viele andere Bereiche in der Politik.

Was wäre ein wünschenswertes Ergebnis am Ende Eures Projekts?

Frohnapfel: Das „Planquadrat“ betreffend: Ein Baustopp für Hotels, Tief- und Hochgaragen und Bürokomplexe. Eine rote Linie, die den Bestand 100% als Status Quo schützt, teilweise sogar rückbaut. Für „Commons & Cologne“ eine Sensibilisierung der Kölner Verwaltung und Politik für die Commons und eine Unterstützung der BewohnerInnen des Kunibertviertels – aber natürlich auch aller anderen Viertel – bei der Rettung, Wiederherstellung und dem Schutz ihrer Commons.

(Infoblock:) Das vom Kunstbeirat der Stadt Köln initiierte „StadtLabor für Kunst im öffentlichen Raum“ startete 2012 mit dem Modellprojekt „Der urbane Kongress“. Doris Frohnapfel (Köln) und Ina Wudke (Berlin) gewannen 2015 den Wettbewerb für die Fortsetzung im Planquadrat „Eigelstein/Kunibertsviertel/Ebertplatz“.

Die Auftaktveranstaltung „Commons & Cologne“ mit Performances von Ina Wudtke, Evamaria Schaller und Doris Frohnapfel findet Ende Februar in der Kokett Bar statt, einem der ältesten Kölner Nachtclubs. Das Programm läuft bis Juni 2016, u.a. mit Foto-Installation, einer Skulptur vor St. Kunibert, Stadtspaziergängen und Künstlerplakaten. Info: http://www.kjubh.de/pages/koops/kooperationen.html

Zum Einlesen: David Harvey: Rebellische Städte, edition suhrkamp 2013, 18 Euro